Gerhard Ruiss: INDIKATIONEN

edition selene
Wien 2000

Das Reizvolle am vorliegenden Band ist die Methode:
Gerhard Ruiss, durch seinen unausgesetzten Einsatz für die österreichischen Autorinnen und Autoren bekannt, führt diese seine langjährige Erfahrung als Akteur an vorderster Front in seine Literatur ein. Gerade dadurch bekommen diese Gedichte, Prosa-Skizzen, Texte eine Historizität zugewiesen. Implizit wie explizit.
Namen tauchen auf, Situationen, Szenen. Man kennt sie. Zumindest viele von ihnen.

Verfahrenstechnisch führt der Autor das Elementare und das Übergeordnete zusammen, indem er in einem Gutteil seiner Gedichte die Sprache des kleinen Mannes nachzeichnet und sich ihrer bedient, um sie schließlich sattsam zu durchkreuzen. Grenzgänge zwischen Alltagsfaschismus und Harmlosigkeit, durch Trink- und Kalendersprüche verbrämte Präjudize wie (selbstredend) unreflektiert lächerliche „Lebensweisheiten“ werden auf dem intellektuellen Tablett serviert. Das verharmlosend Gefährliche kontrastiert Ruiss mit einer kühl kalkulierten Metaebene und macht es dadurch noch offensichtlicher.

Den locker von den Lippen gehenden Mundart-Sprüchen folgen bewußt akribisch zusammengestellte lexikalische Hinweise auf ihre Bedeutung in der Hochsprache. Diese Verfahrensweise gibt der Gedichtsammlung ihren insgesamt konzeptuellen Charakter.

Nachgerade ist es jener trockene Übersetzungsgestus, der, wo er in Kommunikation mit den Österreichtümeleien tritt, diese in ihrer Engstirnigkeit und auch Gefährlichkeit endgültig entlarvt.

Petra Ganglbauer

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