NordSüd Verlag
Zürich 2015
Ja, auch Schweine haben Träume. Und dieses hier, genannt Mathilda, hegt einen ganz besonderen: Mathilda möchte einmal ein Stück von einem Stern abbeißen. Erstaunlich, mit was für einer Hartnäckigkeit das Tier versucht, seinen größten Wunsch in die Realität um zu setzen. Zuerst watet die kleine Mathilda stundenlang durch Pfützen, dann erklimmt sie einen Berg, und schließlich lässt sie sich von einem Adler durch die Luft tragen. Doch alles ist zwecklos. Die Sterne bleiben unerreicht funkelnd am Himmelsgewölbe stehen. Nach und nach wird Mathilda ausgemergelt und krank. Zum Glück gibt es da die Gans Gunda, die ihr ein Medikament bringt. Und zum Glück begegnet Mathilda am Ende wider Erwarten der Stern in Form einer Goldkette. Um den Hals eines sehr besonderen Schweines. Und dass es die Liebe zu diesem Schwein ist, die das Leben eigentlich zum Leuchten bringt – wer hätte das wohl geahnt?
Die Sprache von „Mathilda will zu den Sternen“ ist in schlichtem Märchen-Duktus gehalten, biegt jedoch in unerwarteten Momenten ab, sodass eine besondere und sehr eigene Art von Witz entsteht, der für groß und klein spannend bleibt. Rekurrierend auf die klassische Form der Fabel – die sich ja unter anderem durch Tier-Protagonisten auszeichnet – würzt Michael Stavaric seinen Text doch mit modernen Elementen: Da ist vom Autodrom die Rede und von Radioantennen, von Fitness und von Aspirin-Tabletten.
Christine Ebenthal hat Mathilda gekonnt zum Leben erweckt: Das Schweinchen ist in ein hübsches blaues Röckchen gekleidet, stakst auf seinen graziösen Hufen durch die Gegend, weist sinnliche Knie auf, und es darf am Ende ein bezauberndes Lächeln auf den Lippen tragen, das fast von einem Auge bis zum anderen reicht.
Und auch philosophische Elemente fehlen in „Mathilda will zu den Sternen“ nicht: Denn Michael Stavaric spielt in seinem Buch gekonnt mit der Metapher des „Sich-Spiegelns“: Das Schweinchen sieht die Sterne zunächst in Pfützen, watet durch diese hindurch, um seine Sehnsucht zu stillen. Doch ein Spiegel ist nicht real. Darum schmeckt das Wasser auch nur nach Wasser. Und darum können die Sterne auch letzten Endes nicht vom Himmel gepflückt werden. Vielmehr begegnen sie Mathilda erst viel später, als sie die Suche längst aufgegeben hat, in Form eines männlichen Schweines, und nicht anders. Denn: „Vielleicht war es ja immer so mit den Sternen – sie kamen zu einem, wenn man es am allerwenigsten erwartete.“
Sophie Reyer
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