Jörg Zemmler: papierflieger luft

Gedichte

Klever Verlag
Wien 2015

„Auf Fragen Antworten wir mit Zeit“, schreibt Jörg Zemmler in seinem neuen Lyrikband „papierflieger luft“. Und dass mit dem Gewinnen von Zeit auch Raum einher geht, kann man seinen Texten ansehen: denn sie atmen. Auf viel Papier haben Buchstaben Luft, sie fliegen tatsächlich, schweben auf wenig Raum kraftvoll hin und her. Ein wenig erinnern die hauchigen, fragilen aber sehr präzisen Miniaturen an ein Mobile: sie schweben und verzieren die Leere, bringen das innere Kind zum Staunen.
Dass der 1975 in Bozen geborene Poet eine Affinität zum Klanglichen hat, ist ersichtlich. Seit vielen Jahren arbeitet er übrigens auch als Soundkünstler und Pop-Musiker der besonderen Art.
Das Sprachmaterial des Bandes oszilliert zwischen Poetisch und Banal. Da heißt es mal „sich schleichen“, dann wieder aber verehrt ein ganzer Wald im hohen Ton einen toten Baum. Die Schaukelbewegung zwischen Archaischem und der Poetik des Banalen gelingt dem Dichter, auch – oder vielleicht gerade weil – man ihm beim Balancieren förmlich zuhören kann. Was ist Literatur anderes als ein Drahtseilakt, das Weben von Verbindungsschnüren zwischen Dingen, die scheinbar zusammenhanglos im Raum schweben? Texte sind Papierflieger zwischen Welten – und diese im Besonderen.
Ein hervorragendes Buch.

Sophie Reyer

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