Petra Ganglbauer: Gefeuerte Sätze

Gedichte

Limbus Verlag
Wien 2019

Auch in ihrem neuen Gedichtband „Gefeuerte Sätze“ mit den Kapiteln „Gewalt Muster“, „Revisited“ und „Blessuren“ geht es Petra Ganglbauer, wie schon der Titel programmatisch verkündet, um Aggression, Angriff, Gewalt, Krieg, Leid: „Immerfremd in diesem Krieg zum Fressen: / Lieb schürfen wir uns aneinander ab. / Unsere unnütz gewordenen Wörter: / Darunter! Unter!  / Der Schicht aus gedrucktem Schwarz / Kehren die Toten ganz in sich zurück. / Bewegen sich auf uns zu  / (Als Kraterdasein)!“ Hinschauen, Erkennen, Aufgreifen, das fordert Petra Ganglbauer (erneut) und die Leserin/der Leser fühlt sich angehalten, bei jedem einzelnen Gedicht inne zu halten (kein gieriges Verschlingen), um stundenlang über dieses nachzudenken, dieses bis in seine Einzelteile zu dechiffrieren.

„Phalanx / Aus gedächtnislosen Wesen“ lautet eine Verszeile, mit der sich die Autorin auf uns (?) bezieht, auf alle, die das Wissen um Verhetzung, Verfolgung, Völkermord beiseite schieben, sich wegdenken (möchten) von den (nackten) Tatsachen, die im Zugeben des Schrecklichen sofort einen Aber-Satz hinterherschieben, Vergleiche, unstatthafte Vergleiche, Gegen- und Aufrechnungen,  nur um das eigene Nichttun zu rechtfertigen, um nichts tun zu müssen. Viele unserer Politiker, gedächtnislose Wesen, alte wie junge: die alten, die – wie es scheint – vergessen haben, dass schon einmal die Wortwahl Ouvertüre war für eine Todesmaschinerie, die jungen, die in fast autistischer Weise sich einer hinterhältigen Wortwahl bedienen, von der sie sehr wohl wissen (und hämisch registrieren), dass bei einem nicht geringen Teil der Bevölkerung die niederträchtigsten Instinkte angetriggert werden (hier sei verwiesen auf den Facebook-Account eines „Herbert Tusch / Innsbruck“, in welchem in bezug auf eine AutorInnenliste zu lesen ist/war: „Super jetzt haben wir eine Liste und wenn es dann soweit ist wissen wir wer abgeholt werden muss.“)

In der Phalanx der gedächtnislosen Wesen stehen aber auch so manche Medien stramm wie beispielsweise jene Gratiszeitungen und Internetforen, welche in ihren Kommentaren zum Zeitgeschehen nicht müde werden, eine (subtile) Hetze zu betreiben und Ressentiments zu schüren. „Die Bezeichnungen verleihen den Dingen / Ihre Macht“, so Ganglbauer und die die IG Autorinnen Autoren konstatiert anlässlich ihrer Generalversammlung im Februar 2019: „Die Verrohung von Sprache ist Leitsymptom für alles, woran die Gesellschaft krankt.“

„Die Stringenz der Verfolgung / (Hinterhalt und Falle!) / Setzt / In Bildreihen fort: / Die Stringenz der Verfolgung / (Hinterhalt und Falle!) / Setzt / In Textreihen fort und gestaltet / Den Raum für Wirklichkeit.“

Ganglbauer fordert uns auf, diesen Raum für Wirklichkeit zu gestalten. Dazu brauchen wir keine Lyrik der Nachtmusik und auch keine dagegen: Anstatt die Lyrikproduktion „hypertrophiert“ zu bezeichnen, und dieser Hypertrophie mit einer Eigenproduktion noch eines drauf zu setzen, wäre manchem Kritiker oder Journalisten ins Poesiealbum geschrieben, in Petra Ganglbauers Lyrik einzusteigen und die Stimme der Grande Dame der österreichischen Gegenwartslyrik zu hören, jener Stimme nämlich, die ernsthaft etwas zu sagen hat.

Erika Kronabitter

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