Lyrik. Herausgegeben von Helwig Brunner.
Edition Keiper. (keiper lyrik 13)
Graz 2016
„Wasser im Gespräch“ lautet der Titel von Petra Ganglbauers neuem Gedichtband. Und wer den Anspruch der experimentell arbeitenden Autorin an Sprache sowie ihre kompromisslose und avancierte Spracharbeit kennt, weiß, dass diese Ansage Aufforderung ist zu einem diffizilen und (heraus)fordernden Gespräch, zu welchem die LeserInnen eingeladen werden.
Mit den Größen Mond – Wasser – Pflanzen entwickelt Petra Ganglbauer in ihren lyrischen Betrachtungen nicht nur ein breit aufgefächertes Spektrum an Bildkonstellationen, sondern lässt die LeserInnen eintreten in Empfindungszustände dieser elementaren Größen.
Mit den Mondgedichten (Teil 1 des Lyrikbandes) wird der Mond in verschiedenen lyrischen Ausformungen dargestellt, so finden sich hier u.a. die Kapitel „Leerer Narrenmond“, „Strahlender Honigmond“, „Verdorrender Wintermond“ und weitere sieben Mondkapitel, in welche die Mondgedichte unterteilt werden. Der Mond – was ist schon der Mond, könnte man fragen. Die Wölfe jaulen zu ihm, Mondsüchtige werden zu Handlungen animiert, an welche sie sich später nicht mehr erinnern, Pflanzen, ja die Natur überhaupt reagiert auf die verschiedenen Mondphasen. Mondkalender und Verhaltensregeln bei verschiedenen Mondkonstellationen geben zu tausenden Zeugnis über Einfluss und Wirkung dieses unnahbaren Himmelskörpers. Lange Zeit vor allen, vor der gesamten Menschheit, vor dem Entstehen der ersten Lebenswesen war schon der Mond auf der Welt. „Ur-Welt-Sitz Mond:[…]“ heißt es demnach auf Seite 10 und auf Seite 12: „Zeigt die Zusammenhänge:[…]“.
Das Gedicht (Seite 7) „Weiße Zeit ruft sich/Ins Gedächtnis/Bringt in Vorgang (Ohrenlicht).“ erinnert unweigerlich an das Wissen um Gezeiten, an das Kommen und Gehen des Meeres bei Flut und Ebbe, an Gischt und Zurückfluten. Der Mond greift ein in das Leben, in die Bewegung des Wassers, hat die Macht über dieses, das Wasser wiederum steht in Beziehung zu den Pflanzen auf der Erde, zur Natur überhaupt.
In den Pflanzengedichten wiederum spiegelt sich das Ich im Spiegel der jeweils beschriebenen Pflanze, wird in der Be- und Umschreibung selbst zur Pflanze, ohne diese explizit zu nennen: „Schauendes Lila, Schatten in Trauben/Trägt temporär die Über Windung der/ Kälte in sich […]“ (Seite 67). Das Beschreiben und Schreiben-über wird ein empathisches Fühlen und Nachfühlen in die Pflanzenseele. Mit der Ausnahme des letzten Gedichtes werden die Pflanzengedichte sodann beendet mit einem kursiv und in Klammer gesetzten Titel, einem „Nachtitel“ sozusagen, wobei dieser Nachtitel jeweils ein Gesicht, das Pflanzengesicht – oder ist es die Seelenspiegelung des Ich? – benennt: Petra Ganglbauer spricht von: Mein Jungfer im Grünen-Gesicht, mein Klatschmohngesicht, mein Salbeigesicht, mein Grasgesicht, mein Pfingstrosengesicht.
Auch wenn Wasser in den Pflanzengedichten nicht dezidiert eine Rolle an vorderster Front spielt, ist es das Wasser, das eine maßgebliche Rolle an der Entwicklung der Pflanzen spielt. So schließt sich der Kreis dieser Dreierkonstellation Mond – Wasser – Pflanzen.
Der Lyrikband „Wasser im Gespräch“ ist Aufforderung zur Auseinandersetzung mit Bedeutung und Bedeutungsverschiebung, zum Einlassen auf Farben, Töne und Orte, aber auch Erlaubnis, sich von der assoziativen Herangehensweise der Autorin ermuntert zu sehen, quasi dezidierte Aufforderung, sich als LeserIn selbst einzulassen auf eigene Gedankenbilder, sich tragen zu lassen vom Rhythmus der Klänge und Sprachbilder. Petra Ganglbauers Poesie reizt das Spektrum aus vom wissenschaftlichen Hinschauen zum lustvollen Wegtragenlassen, von der formellen Strenge zum Sprachspiel. Das katalogisierte Wissen von Natur- und Sprachgesetzen ist das eine. Sich Einfinden im tausendfachen Variantenreichtum der Natur- und Sprachwunder, mit Sprachspielen, Neologismen u.a.– das ist es, wohin die Autorin uns entführen will.
Erika Kronabitter
Erika Kronabitter