Gerald Hartwig: Chamäleon

Graphic Novel

Luftschacht Verlag
Wien 2013

Wie sich später herausstellte, kannte ich den Vater des Künstlers recht gut, aber es war absoluter Zufall, dass ich auf der Suche nach jemand anderem in jenen Ausstellungsraum des Literaturhauses hineinplatzte, wo Gerald Hartwig gerade die Original-Blätter seiner frisch erschienenen Graphic Novel aufhängte. Da ich nun einmal drin war, schaute ich mir die vielen Zeichnungen genauer an und glaubte auf einer Heinz Hartwig zu erkennen, was mir der zunächst irritierte Künstler mit dem Satz „Das ist mein Vater“ bestätigte. Danach ging alles schnell, vorstellen, Hände schütteln, plaudern, Buch bestellen, ein Blatt ankaufen (ohne den Preis zu kennen) und die gemeinsamen Freunde in Berlin aufzählen.

Nun ja, der erste Absatz dieser Rezension könnte eigentlich auch als Teil einer Graphic Novel gezeichnet werden. Triviale Geschichten mit viel Sex an der Grenze zur Pornografie, das ist eine Kunstform, die authentisch und unterhaltsam ist, was nicht von allen zeitgenössischen Ausdrucksformen gesagt werden kann. Ich habe deshalb auch gleich das Original jener Sexszene käuflich erworben, die im Buch mit dem spärlichen Text “JAAA FICK…” über die Doppelseite 62/63 läuft, der erst auf Seite 64 mit “… MICH” und fünf Rufzeichen abgschlossen wird. Aber keine Sorge, es geht in “Chamäleon” um weit mehr als nur um Sex. Unser Held, jetzt Ende 30, lebt in Berlin als sein Vater stirbt. Daraufhin erinnert er sich seiner Reise nach (wohin sonst?) Los Angeles um ins Filmgeschäft einzusteigen und erlebt in zehn Jahren, die er dort lebt und studiert, zahlreiche Abenteuer, die Gerald (Jerry) Hartwig sorgfältig in Federzeichnungen illustriert und sparsam mit Worten ausgeschmückt. Die Homepage des Künstlers – www.zeichenstrich.de – ist eine gelungene Visitenkarte.

Der Luftschacht Verlag hat sich des Erstlings das 1973 in Graz geborenen Gerald Hartwig liebevoll angenommen und ein schönes, aufrichtiges, freches, 264 Seiten dickes Buch aus dem “Chamäleon” gemacht, das man zwar zunächst am Klo liest, es aber dennoch zur Literatur ins Bücherregal stellt.

Gerald Ganglbauer

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