Jörg Zemmler: Seiltänzer und Zaungäste

114 Begegnungen

Klever Verlag
Wien 2019

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An den Rändern der Wahrnehmung und des bewussten Umgangs mit dem Leben, dem Alltag bewegen sich Jörg Zemmlers leise und unaufdringliche Prosatexte, die alle als Titel Namen enthalten.
Sie wandern am menschlichen Grat zwischen dem Wollen und der Umsetzung, dem Wünschen und der Wunscherfüllung, der Klarheit und der Gespaltenheit.
Hinter einer bewusst gesetzten Schlichtheit der Inszenierung verbergen sich oft nicht nur Schmerzen, Unerfülltheiten oder Träume, sondern auch ganze Parallelwelten, wie etwa jene Werners, der obgleich Beamter, eine große Passion gegenüber der Vogelwelt hat. Diese Hinwendung lässt ihn über die Überschaubarkeit seines eigenen Lebens hinauswachsen.
Oder Gerhard, dem das Traurigsein das Glück verstellt, und der in einer kurzen Sequenz der Betrachtung seines Gesichts vor dem Spiegel Erlösung im Lächeln findet.
David wiederum, Schriftsteller, dem das „Müssen im Weg“ ist, kann sich nicht über seine Arbeit und deren Resultat freuen, obgleich er bereits eine Verlagszusage hat.

Ein Geheimnis von Literatur, welches die Leserinnen und Leser in Spannung hält, ist stets das Durchqueren der Erwartungshaltung. Genau dies ist bei Jörg Zemmlers neuem Buch der Fall.
Es sind kleinste Wendungen im Verlauf der Geschichten, zudem arbeitet der Autor da und dort mit dem Verdecken von dem wovon die Rede ist.
Er schreibt dann fast geheimnisvoll um eine Sache herum, die nie ausgesprochen wird, etwa im Text „Magda“.

Ein Buch, das (Lebens-) Geschichten enthält, die in ihrer Tiefe den Lesenden als Identifikationsgrundlage dienen können.

Petra Ganglbauer

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