Gabriele Kögl: Gipskind

Roman

Picus-Verlag
Wien 2020

Auf die ihr eigene unnachahmliche Weise, in bewusst einfachem, konkretem Stil, erzählt Gabriele Kögl in ihrem jüngsten Roman die Entwicklung einer jungen Frau in den Sechzigern, von ihrer frühen Kindheit bis zum Schritt in die Eigenverantwortlichkeit.

Das Leben auf dem Land, in Verhältnissen, die hart an der Existenz nagen, wird durch die emotionale Zurückhaltung der Eltern, vor allem der Mutter, durch seelische Kälte und Isolation aber auch durch die Liebe zur Großmutter gespiegelt. „Die Kleine“ findet sich in einer Welt der ländlichen Rituale wieder, die sie zwar miterlebt, sie selbst jedoch fühlt stets irgendwie an den Rand gedrückt, toleriert, aber eben nicht wirklich einbezogen.

Da sie mit neun Monaten noch immer nicht aufstehen kann, werden für längere Zeit beide Beine in Gips gelegt. Mehrere Spitalsaufenthalte folgen, welche die seelische Isolation der „Kleine(n)“ noch verstärken. Mit den in Gips gespreizten Beinen wiegt sie schwer. Gerade diese Sequenzen im Buch sind besonders berührend.

Eine Zäsur im Leben der Protagonistin ist vor allem jener Teil des Buches, in dem „die Kleine“ den ebenso jungen Arthur aus gutem Hause kennenlernt und zur Andrea wird.

Gabriele Kögl skizziert rurale und urbane Milieus, Kultur und Eigenheiten der Sechziger Jahre mit äußerster Genauigkeit. Die inhaltliche Dichte in dem vorliegenden Buch ist überwältigend: Kögl spannt den Bogen von Alltagsszenerien bis zur Selbstwerdung von Andrea, als diese sich, letztlich gemeinsam mit Arthur, aus der familiären Abhängigkeit befreit. Und beide haben eine Vision.

Wieder ein überzeugendes Buch jener Autorin, die im Jahre 2019 für ihr Hörspiel „Höllenkinder“ den Prix Europa für das beste europäische Hörspiel des Jahres erhielt.

Petra Ganglbauer

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